Tyrannenkinder und Helikoptereltern in der Schule
Buchholz, B. (2019): Tyrannenkinder und Helikoptereltern in der Schule – Neue Lernkultur in der Erziehungskrise? Erziehung und Unterricht in der Grundschule zwischen entwicklungspsychologischen Bedürfnissen und Fähigkeiten und dem Anspruch schulpädagogischer Machbarkeit. PHB Hochschulschriften 01/2019, Weber Verlag GmbH, Eisenstadt; ISBN: 978-385253-636-1
Die vorliegende Studie evaluiert erstmals Erscheinungsformen und Auswirkungen der sogenannten „Erziehungskrise“ in der österreichischen Grundschule – eines gesellschaftlichen Phänomens, das bisher kaum ausreichend wissenschaftlich aufgearbeitet wurde. Ausgehend von rezenter erziehungswissenschaftlicher und entwicklungspsychologischer Forschungs- und Fachliteratur (z.B. Bauer 2013; Brummelman et al. 2014; Buchebner-Ferstl et al. 2016; Hattie 2012; Hurrelmann & Bauer 2015; Koch 2016; Spitzer 2012; Winterhoff 2013; etc.) sowie von Beobachtungen aus der Praxis, wurde eine Diskrepanz zwischen der Realität der entwicklungspsychologischen Bedürfnisse und Fähigkeiten von Grundschulkindern und dem schulpädagogischen Anspruch der Neuen Lernkultur, ihrer Konzepte und Methoden, wie Kompetenzorientierung, Individualisierung, selbstorganisiertes Lernen etc., als mögliche kausale Bedingung für eine grundschulspezifische Form der Erziehungskrise hypothetisiert. Die empirische Untersuchung beinhaltet sowohl quantitative als auch qualitative und gemischte Methoden und involviert österreichweit über 3.100 Volksschullehrer_innen und über 350 Volksschüler_innen an burgenländischen und niederösterreichischen Volksschulen. Sie inkludiert neben einer Schüler_innen- und Lehrer_innenumfrage auch Schüler_innen-, Lehrer_innen- und Unterrichtsbeobachtungen sowie vertiefende Interviews mit Volksschullehrer_innen und anerkannten Expert_innen. Als Ergebnis der Untersuchung wurde die Hypothese in folgenden Bereichen bestätigt: Divergierende inkonsistente und inadäquate psychisch-emotionale und soziale Reife bei mehr als der Hälfte – auch älteren – Volksschüler_innen und divergierende entwicklungspsychologische Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder stehen im Widerspruch zu Anforderungen der Neuen Lernkultur, was Erziehungs- und Lernprobleme, die der sogenannten Erziehungskrise zugeordnet werden, auslösen bzw. verstärken kann.
Als Schlussfolgerung sollen die Theorien der Neuen Lernkultur betreffend die mathetische, didaktische und pädagogische Interaktion, insbesondere für den Unterricht der Volksschule, entsprechend sinnvoll neu entwickelt bzw. adaptiert und entsprechende systemische Innovationen projektiert werden.