Die Durchschnittsfalle: Gene - Talente - Chancen von Markus Hengstschläger

Kann man ohne bestimmte genetische Voraussetzungen nicht erfolgreich sein? Oder ist es umgekehrt? Ohne Fleiß kein Preis? Markus Hengstschläger, Leiter des Instituts für Genetik an der Medizinischen Universität Wien, gibt in „Die Durchschnittsfalle“ Antworten. Sein Fazit: Jeder Mensch hat sein individuelles angeborenes, genetisches Rüstzeug. Das ist aber nichts wert, wenn man es nicht durch harte Arbeit entdeckt und durch viel Üben in eine besondere Leistung (=Erfolg) verwandelt. Der Mensch ist nicht auf seine Gene reduzierbar. Er ist das Produkt der Wechselwirkung aus Genetik und Umwelt. Gene sind Bleistift und Papier, aber die Geschichte schreiben wir selbst.

Und wie können wir uns auf die Fragen und Herausforderungen der Zukunft, von denen wir nicht wissen, wie sie lauten und wann sie gestellt werden, am besten vorbereiten? Jedenfalls nicht dadurch, dass wir uns mit durchschnittlichen Leistungen zufriedengeben! Ein System, in dem alle Teile möglichst nahe an einem gemeinsamen Durchschnitt sind, sei für die Zukunft in keinerlei Weise gerüstet. Es brauche möglichst viele, möglichst verschiedene Individuen. Warum der Durchschnitt eine evolutionäre Sackgasse ist und es zukünftig zur Norm werden muss, von der Norm abzuweichen, argumentiert Hengstschläger in seinem Buch auch mittels seines Fachgebiets der Genetik.

Besonders in der Schule würden leider viele Talente vergeudet. Seine Empfehlung lautet daher: Nicht in die Durchschnittsfalle tappen! Wir können es uns nicht leisten, auch nur ein einziges Talent ungenutzt zu lassen. Unser Bildungssystem sollte sich vorrangig auf die Stärken der Kinder konzentrieren und nicht auf ihre Schwächen, auf das Fördern von Begabungen und nicht auf das Ausmerzen von Schwächen.

Er warnt eingehend davor, dass übermäßiger Druck nicht zwangsläufig die Leistung verbessert, sondern Stress erzeugen, krank machen und Leistung ersticken kann. Ferner weist er darauf hin, dass Innovation nicht von jenen zu erwarten ist, die zum „Bravsein“ gezwungen werden, sondern eher von jenen, die oft als verhaltensauffällige Freaks in die Ecke gestellt werden.

Oft pointiert und provokant formuliert, ist die Lektüre für Pädagog_innen und alle Verantwortlichen im Bildungssystem absolut zu empfehlen. Die Lektüre ermuntert, auch den Blick für die verhaltensauffälligeren Kinder und deren Begabungen zu schärfen.

Markus Hengstschläger, Jahrgang 1968, promovierte mit 24 Jahren zum Doktor der Genetik. Der gebürtige Linzer leitet seit 2005 das Institut für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Eine seiner größten Leistungen war die Entdeckung von Stammzellen im Fruchtwasser, ein anderes Thema ist die Erforschung der Erbkrankheit Tuberöse Sklerose. Er ist Mitglied des Rates für Forschung und Technologieentwicklung und stv. Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission. Einem breiten Publikum wurde er durch seine Bücher „Die Macht der Gene“, „Endlich unendlich“ sowie „Die Durchschnittsfalle“ bekannt.

Markus Hengstschläger: Die Durchschnittsfalle: Gene - Talente – Chancen. Gebundenes Buch, Ecowin