Stille – Ein Wegweiser

Erling Kagge: Stille - Ein Wegweiser. Übers. v. Ulrich Sonnenberg.
ISBN: 978-3-458-17724-1

Wer spricht, durchbricht bereits die Stille. Wie also Stille in Worte fassen? Es gibt zwei Meisterwerke aus den Bereichen der Film- und Musikkunst, die es eindrucksvoll fertiggebracht haben, diesem atmosphärischen Zustand auf höchst eigenwillige Art und Weise eine Signatur zu verleihen, man denke an Philip Grönings Dokumentarfilm „Die grosse Stille“ oder an das Musikstück 4′33″ von John Cage.

Wenn nun ausgerechnet ein norwegischer Abenteurer und Jurist ein Buch mit Stille betitelt, dann fragt man sich zunächst, was das soll. Doch das in 33 Kapitel gegliederte Werk der Stille weist nicht nur auf einen Weg, dem man folgen kann, sofern man sich darauf einlässt, es handelt sich überdies um ein, wenngleich hierzulande noch wenig rezipiertes, so doch international gefeiertes Meisterstück.

Anfang der 90er-Jahre schaffte es der Autor Erling Kagge als erster Mensch zu den drei Extrempunkten unserer Erde aus eigener Kraft: Nordpol, Südpol und Mount Everest. Insbesondere auf seiner Expedition zum Südpol, bei der er 1300 Kilometer ohne Funkkontakt allein in der weißen Ödnis zurücklegte, brach bei ihm etwas jenseits des menschlich konkret Fassbaren ins Wort: Stille.

In fragmentarischen Versuchen umkreist Kagge wie ein Wanderer diese Einbruchstelle. Fast mystisch wirken Sätze wie: „Die Natur sprach zu mir, indem sie sich als Stille präsentierte. Je stiller es wurde, desto mehr hörte ich ... eine ohrenbetäubende Stille.“ Wer wissen möchte, wie sich dieses Oxymoron der „ohrenbetäubenden Stille“ auflösen lässt und wie dies in einer Zeit, in der es elektronisch laut zugeht, realisierbar wird, sollte das Buch lesen und den Pfaden des Weltwanderers folgen. Auch und gerade in einer Zeit des Lärms.