Lernen heißt Vertrauen – eine Studienreise im Rahmen von CODES AT-HU
Wir berichten in PH-WIR regelmäßig vom Interreg-Projekt „CODES AT-HU“ („Competence-Oriented Education for Elementary Schooling in the Cross-border Region AT-HU“), an dem die PPH Burgenland als Partner teilnimmt. Im Jänner 2020 wurde eine viertägige Studienreise nach Finnland angeboten, Teilnehmer_innen aller fünf CODES-Partner nutzten diese Gelegenheit, um Besuche und Hospitationen an drei Schulstandorten in Kuopio sowie der University of Eastern Finland in Joensuu zu absolvieren. Im Zuge der Unterrichtsbeobachtungen und des informativen Austausches mit Lernenden und Expert_innen konnte ein umfassendes Bild von der Unterrichtspraxis, der Aus- und Fortbildung von Pädagog_innen sowie der Umsetzung des seit 2016 geltenden nationalen Curriculums gewonnen werden.
Ausgangspunkt der finnischen Curriculumreform 2016 war der bildungspolitische Ansatz, dass sich die Welt rund um das System Schule rasant wandelt, und junge Menschen veränderter Kompetenzen bedürfen, um sich in einer komplexer werdenden Welt zurechtzufinden.
Das Herzstück des finnischen Curriculums bildet der „Phänomen“-basierte Zugang zu Lernen und Lehren („the phenomen based learning approach“), der folgend kurz umrissen wird:
- Das Lernen von abgegrenzten Inhalten in Fächern / Gegenständen wird durch einen multidisziplinären Zugang abgelöst.
- Lernen wird als kumulativer, aktiver Prozess gesehen, der über kollaborative, individuelle und instruktive Lernsettings und Lernarrangements, die Entwicklung von überfachlichen Kompetenzen und das vernetzte fachliche Lernen ermöglicht.
- Von Bedeutung ist zudem, dass Lernende befähigt werden ihr Lernen selbst zu steuern. Unterricht berücksichtigt den Ansatz des „Selbstregulativen Lernens (SRL)“, indem sich Lernende selbst Ziele setzen, ihr Lernen planen, steuern und reflektieren.
Basierend auf den Prinzipien des „Phenomen Based Learning“, dem Nationalen Curriculum und den Kompetenzrastern entwickeln Schulen und Lehrkräfte ihre regional- oder standortspezifischen Curricula.
Setzt man das Gesehene und Gehörte in Vergleich zu österreichischen Entwicklungen, so lässt sich mit dem in den Mittelschulen und Volksschulen zur Planung und Gestaltung kompetenzorientierten Unterrichts grundgelegten Ansatz des „Lerndesigns“ („Understanding by Design“ nach Wiggins & Mc Tighe) ein didaktischer und pädagogischer Zugang erkennen, der sich zugunsten der inhaltlichen Tiefe und Vernetzung von der bloßen Stoffmenge abwendet und sich an Lebens- und Fachkompetenzen ausrichtet.
„Die Jynkka Schule ist eine Gesamtschule mit 450 Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 16 Jahren, es arbeiten ca. 30 Lehrer_innen und 10 Schulassistent_innen - das sind Sozialarbeiter_innen, Psycholog_innen und Unterstützer_innen für Gangdienst, Mittagessen u. ä. an dieser Schule. Unterrichtet wird ausschließlich in Blockungen zu jeweils 90 Minuten, danach ist jeweils eine halbe Stunde Pause, die im Freien verbracht wird. Nach dem zweiten Block gibt es Mittagessen (gratis) für alle, danach noch einmal 90 Minuten Unterricht und dann gehen die Kinder nach Hause (ca. 14:00 Uhr). Besonders auffällig an der Jynkka Schule ist, dass alle sehr entspannt wirken. Es gibt keine Hektik, keine Nervosität, man spürt auch keinen Leistungsdruck.“
Die Schule ist in riesige Lernräume mit ca. 200 m2 unterteilt. Die Kinder (ca. 70) werden von zwei oder drei Lehrer_innen betreut und lernen in kleinen Gruppen. Eine Kollegin betont, dass die Beziehungsarbeit für sie besonders wichtig ist, und dass die Kinder deshalb so viel und so gut lernen können. „In Finnland vertraut man darauf, dass Lehrer_innen einen guten Job machen. We are not supervised. In unserem System gibt es ganz viel Vertrauen der Lehrer_innen den Schüler_innen gegenüber und vom Staat zu den Lehrer_innen. Auch die Eltern haben viel Vertrauen in uns.“ (Anne Tuovinen, Jynkka Schule Finnland).