Wie es doch zusammengehen kann: Schüler_innen und Eltern im Miteinander

Homeoffice. Kinderbetreuung. Kochen. Den Haushalt führen. Dazu das Quasi-Eingesperrt-Sein auf oftmals engem Raum. Existentielle Ängste. Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit. Bleibe ich gesund? Die Unsicherheit, wie lange diese Situation noch andauern wird, welche Folgen werden sich daraus ergeben?

In meiner psychologischen Praxis häufen sich die Anrufe aufgrund massiver Überforderung vieler Menschen.

Vor wenigen Tagen kontaktierte mich hilfesuchend eine Mutter von zwei Kindern und schilderte mir ihre täglichen Belastungen:

„Ich kann nicht mehr. Ich bin leer, ausgelaugt und kraftlos. Ich kümmere mich überwiegend alleinerziehend um meine beiden Kinder (sechs und zwölf Jahre). Ich bin weiterhin voll berufstätig und seit 14 Tagen im Homeoffice, daher fast ständig am Telefonieren und Skypen. Oft stürzt der Computer ab, ich muss hunderte E-Mails lesen und bearbeiten. Das ist so kräfteraubend. Ich kann daneben nicht noch meine 12-jährige Tochter ständig zum Lernen motivieren, ihr den neuen Mathestoff erklären oder ihr bei Physikaufgaben helfen. Ich müsste mich in die Fächer erst einmal wieder einarbeiten und eindenken. Daneben habe ich noch meine jüngere Tochter. Sie geht in die Volksschule. Sie kann sich den Unterrichtsstoff auch noch nicht selbständig aneignen oder einteilen.“

Ein Beispiel eines normalen Haushaltes. Noch belastender und konfliktreicher ist die Lage oft in jenen Familien, wo ein Kind eine psychische Erkrankung hat. Das betrifft immerhin knapp 24 % der 10- bis 18-jährigen Kinder und Jugendlichen in Österreich. Zu den häufigsten Belastungen zählen Angststörungen und Depressionen¹.

Wenn wir diese Zahlen auf das Burgenland übertragen, dann könnten etwa 8.400 Schüler_innen von einer psychischen Erkrankung betroffen sein. Das entspricht etwa drei bis vier Kinder pro Klasse.

Diesen Kindern und Jugendlichen fällt grundsätzlich schon konzentriertes Lernen schwer. Gerade aber in einer Zeit der Spannung und Verunsicherung verstärken sich viele Symptome einer psychischen Erkrankung, wodurch Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit quasi den Nullpunkt erreichen.

Aus psychologischer Sicht möchte ich daher an Lehrer_innen appellieren, unter den derzeitigen belastenden Bedingungen die an die Schüler_innen übermittelte „Aufgabenflut“ deutlich zu reduzieren, Mut zur Lücke zu zeigen und sehr bedacht bei der Vergabe von neuem Lernstoff vorzugehen.

Darüber hinaus sollten Lehrer_innen besonders zu belasteten Schüler_innen persönlichen Kontakt halten und alle daran erinnern, dass sie sich jederzeit anonym und kostenlos bei Rat auf Draht unter der Telefonnummer 147 Hilfe und Unterstützung holen können. Danke, dass Sie ihren verantwortungsvollen und wichtigen Beruf auch in dieser Situation so konstruktiv als Teil der aktuellen Realität verstehen!


¹Vgl. European Child & Adolescent Psychiatry „Mental health problems in Austrian adolescents: a nationwide, two stage epidemiological study applying DSM-5 criteria.“ G. Wagner, M Zeiler, K. Waldherr, J. Philipp, S. Truttmann, W. Dür, J. Treasure, A. Karwautz. May 8, 2017.