Gastkommentar

Wolfgang Wagner ist Sendungsverantwortlicher des ORF-Magazins „Report“. Hier im Gespräch mit PH-WIR

PH-WIR: Die Ereignisse des 2. November 2020 waren in ihrer Wucht für Österreich außergewöhnlich und in dieser Form auch noch nie dagewesen. Was hat dieses Ereignis für die Medien in der Berichterstattung bedeutet?

Wolfgang Wagner: Die Herausforderung, in Echtzeit über einen Terroranschlag im eigenen Land zu berichten, unterscheidet sich fundamental davon, wenn es in einem anderen Land passiert. Da ist dann kein Filter dazwischengeschaltet, wie es etwa CNN bei „9/11“ war, oder französische Medien bei „Bataclan“. Je weiter man von einem Ereignis entfernt ist, umso leichter – obwohl es immer schwierig ist – fällt es, die nötige inhaltliche Distanz und alle journalistischen Regeln einzuhalten. Wenn es vor der eigenen Tür passiert, wird man mit den Auswirkungen von Fehlern in der Berichterstattung unmittelbar konfrontiert.

PH-WIR: Aus Ihrer Beobachtung und Erfahrung heraus: Wo liegen in solchen Extremsituationen die "Gefahren" in der Berichterstattung, etwa was die Geschwindigkeit der Kommunikation von Meldungen / Information anlangt?

Wolfgang Wagner: Sehr schwierig ist es, die Balance zwischen „schnell“ und „richtig“ zu halten. Vor allem bei der Auswertung von Social Media sind Redakteur_innen permanent mit Informationen - eher Gerüchten - konfrontiert, die weder Reporter_innen vor Ort noch Ansprechpersonen der Polizei sofort verifizieren können. Ähnlich wie beim Amoklauf in München führten Social Media-Postings von angeblichen Augenzeugen dazu, dass auch die Polizei von mehreren Tätern an mehreren Tatorten ausging. Für professionelle Medien ist die Abwägung dann sehr schwer: Soll man darüber berichten, und damit auch vielleicht gefährdete Personen warnen, oder sitzt man einer Fehlinformation auf und erzeugt durch die Weitergabe Panik? Wie sich sowohl in München als auch in Wien nachträglich herausstellte, wurden oft Polizisten in Zivil, die mit gezogener Waffe unterwegs waren, von Augenzeugen für Täter gehalten…

PH-WIR: Gerade den Sozialen Medien ist im Zusammenhang mit dem Attentat vom 2. November eine besondere Rolle zugekommen. Was kann aus Ihrer Sicht dazu beitragen, dass gerade junge Menschen in solchen Situationen zu einer "richtigen" Einschätzung des Faktischen kommen können? 

Wolfgang Wagner: Sich nicht ausschließlich auf Social Media verlassen, sondern professionelle Medien im Netz oder im Fernsehen konsumieren. Bei aller oben geschilderten Fehleranfälligkeit sind Journalist_innen doch eher in der Lage, angebliche Informationen, die eben oft nur Gerüchte sind, entweder zu verifizieren oder falsifizieren, oder kraft ihrer Erfahrung zumindest einzuordnen.

PH-WIR: Welchen Beitrag können hier Ausbildungseinrichtungen wie die Private Pädagogische Hochschule Burgenland leisten?

Wolfgang Wagner: Medienkompetenz wird immer wichtiger. Gezielte Desinformation ist schwer zu erkennen, aber gesunde Skepsis gegenüber angeblich gesicherten Informationen, die einem „Freunde“ über Social Media zukommen lassen – das alles ist gerade für Lehrpersonen unerlässlich. So können sie den jungen Menschen vermitteln, wie man zu möglichst sicheren Informationsquellen kommt.

PH-WIR: Danke für das Gespräch!