Aufgrund der Herkunft – für die Zukunft
Der virtuelle Tag des Judentums

„Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ Dieser Satz wird oft zitiert. Dass der Satz aus der Feder von Paulus stammt, ist indessen nur wenigen bekannt. Paulus schreibt an die Gemeinde von Rom und macht deutlich, wie innig das Christentum mit dem Judentum verbunden ist.
Auch aus diesem Umstand heraus wurde im Jahr 2000 der Tag des Judentums eingeführt: um Vorurteile abzubauen und um sich der eigenen Geschichte bewusster zu werden. Vielen christlichen Menschen ist heute immer noch nicht ganz klar, dass Jesus als Jude geboren und als Jude gestorben ist. Er hat als Jude sein Leben jüdisch gestaltet.
Vielen burgenländischen Menschen ist heute auch nicht ganz klar, dass es einst ein florierendes jüdisches Leben im Land gegeben hat; dass jüdisches Leben ein wichtiger Teil der burgenländischen Identität – fast wäre man geneigt, diesen Satz mit „war“ zu beenden. Vielleicht ist es gut, wenn dieser Satz unvollendet bleibt und jede_r Leser_in die Leerstelle füllt. Nur weil die Shoah einen tiefen Riss durch das Land gezogen hat, ist etwas nicht abgegolten.
Tage wie der Tag des Judentums sind wichtig, um daran in religiöser, gesellschaftlicher und pädagogischer Weise zu erinnern. Beim diesjährigen Tag des Judentums rückte der Garten der einst wohlhabenden Eisenstädter jüdischen Familie Wolf ins Zentrum: der Wolfgarten. Heute steht dort, wo sich einst der Obst- und Gemüsegarten der Familie Wolf befand, eine Schule und ist danach benannt. Johannes Reiss (Österr. Jüdisches Museum) und Lukas Pallitsch (PPH Burgenland/ Gymnasium Wolfgarten) haben die historische, religiöse und pädagogische Bedeutung der Familie Wolf herausgearbeitet und dabei in sensibler Weise auf die jüdischen Wurzelstränge einer heute christlichen Bildungseinrichtung verwiesen. Denn: Ohne Herkunft keine Zukunft.
Es ging nicht nur darum, etwas über das Judentum, sondern auch mit und vom Judentum zu lernen. Es wäre gut, dies jährlich im Burgenland zu etablieren: Das Judentum in seiner Vielfalt als Lehr- und Lernort.
Aufgrund der Herkunft. Für die Zukunft.